Die linksjugend [’solid] Mecklenburg-Vorpommern verurteilt die von SPD und CDU geplante Änderung des Landeshochschulgesetzes scharf. Die Novelle war ursprünglich dazu gedacht, eine gesetzliche Grundlage für elektronische Prüfungsformen zu schaffen. Zu diesem Zweck beabsichtigen die Regierungsfraktionen jedoch im großen Stil Videoüberwachung zu legitimieren. Diese Videoüberwachung soll im Zuge dessen nicht nur synchron stattfinden, auch die Speicherung des Videomaterials wird durch das geplante Gesetz unter Umständen erlaubt.
Zur Durchführung von digitalen Prüfungsformaten legen SPD und CDU nur ein Mindestmaß an Regelung vor. Diese dient lediglich der Legitimierung der Datenverarbeitung ohne diese ausreichend einzuschränken. Das Gros des Regulierungsbedarfes wird an die Hochschulen übertragen, denen so Tür und Tor für eine umfassende Überwachung der Prüfenden geöffnet wird. Problematisch ist hierbei vor allem das Eindringen staatlicher Institutionen in die Privaträume von Studierenden. Hierbei klaffen Anspruch und Realität des Gesetzesentwurfs weit auseinander. Während der Begründungstext die Eingriffsintensität in die persönliche Sphäre betont, stellt das Gesetzesvorhaben die Vermeidung potenzieller Betrugsversuche höher als angemessen über den Schutz des höchstpersönlichen Lebensbereiches.
Außerdem ermöglicht das Gesetz implizit den Einsatz automatisierter Überwachungssoftware. Studien zeigen jedoch, dass künstliche Intelligenzen häufig rassistisch agieren. So ist die Fehlerrate bei der Gesichtserkennung von schwarzen und asiatisch aussehenden Menschen bis zu einhundertmal höher. Eine daraus resultierende Benachteiligung ist nicht hinnehmbar.
Weiterhin wird durch Speicherung und automatisierte Auswertung ein anderer Maßstab angesetzt als bei Prüfungen, die in Präsenz stattfinden. Hier muss ein Täuschungsversuch durch Prüfende auch ohne Aufnahme festgelegt und entsprechend behandelt werden. Die Regelung könnte nach dem Ende der Pandemie somit die Grundlage für eine Debatte um videoüberwachte Präsenzprüfungen bieten.
Insgesamt muss auch das Verfahren kritisiert werden, in dem der Entwurf zur Änderung des Landeshochschulgesetzes entstanden ist. Studierendenvertretungen wurden bewusst und gezielt von der Genese des Gesetzes ausgeschlossen. Anhörungen fanden ebenfalls nicht statt. Stattdessen tagt der Bildungsausschuss in der kommenden Woche hinter verschlossener Tür und entzieht sich der öffentlichen Debatte.
Die Linksjugend [’solid] Mecklenburg-Vorpommern fordert die demokratischen Fraktionen des Landtages dazu auf, dem Gesetzesentwurf nicht zuzustimmen und stattdessen in Zusammenarbeit mit den Studierendenvertretung und unter Wahrung des öffentlichen Diskurses eine Alternative auszuarbeiten. Digitale Prüfungsformate müssen ermöglicht werden, ohne in den Schutzraum Studierender einzugreifen. Hierfür befürworten wir die Möglichkeiten von Haus-oder Open-Book-Klausuren, welche bereits in der letzten Prüfungsphase an den Hochschulstandorten praktiziert worden. Diese stellen die Chance dar Studierende äquivalent zu Präsenzklausuren zu prüfen ohne Einschnitte in die Persönlichkeitsrechte hinnehmen zu müssen.